Betreff: Wir brauchen differenzierte Reisehinweise für die Länder der Welt
Sehr geehrter Herr Außenminister,
mit der am 17. März ausgesprochenen internationalen Reisewarnung und der einhergehenden Einstellung von Flugverbindungen und des Reiseverkehrs musste die Bevölkerung einen tiefen Einschnitt ihrer Reisefreiheit hinnehmen. Die drastischen Maßnahmen zu Beginn der Pandemiewelle waren nachvollziehbar und wurden von einem breiten Konsens getragen.
Nun, da die Infektion in sehr vielen Staaten abklingt und viele Regionen nur noch wenige akute Fälle aufweisen, stellt sich die Frage der Verhältnismäßigkeit bei diesem fortgesetzten Eingriff in das Grundrecht auf Reisefreiheit. Weswegen sollen deutsche Urlauber nicht in einen Staat reisen dürfen, der keine oder signifikant weniger Infektionen als Deutschland aufweist und dessen medizinische Notfallversorgung im internationalen Vergleich leistungsfähig ist?
Durch gezielte Maßnahmen entlang der Reisekette kann das Gefährdungspotential für Urlauber weitestgehend eingegrenzt werden. Dementsprechend sorgen Airlines, Reisebusunternehmen, Kreuzfahrtunternehmen und andere Mobilitätspartner mittels strikter Hygieneprotokolle dafür, dass die Ansteckungsgefahr auf Reisen nicht größer ist als in den öffentlichen Verkehrsmitteln unserer Großstädte. Auch Hotels und Unterkünfte in den wichtigsten Zielgebieten sind gut vorbereitet. In den letzten Wochen wurden bauliche Veränderungen vorgenommen, Sicherheitsvorkehrungen getroffen und Ablaufpläne optimiert, um die Gesundheit der Urlauber zu gewährleisten. Gäste können daher mit einem sicheren Urlaub rechnen.
Die Innenminister der EU-Mitgliedstaaten haben jüngst den Wunsch geäußert, die EU im Juli wieder für Urlauber außerhalb der EU zugänglich zu machen. Angesichts der eingangs erläuterten Entwicklungen ist dieser Schritt nachvollziehbar. Wenn nun aber zur gleichen Zeit deutsche Urlauber daran gehindert werden, denselben Schritt zu tun, um ihrerseits die liebgewonnenen Urlaubsregionen zu besuchen, dann wirft das Fragen auf.
Sehr geehrter Herr Außenminister, die Reisehinweise und Reisewarnungen des Auswärtigen Amts gründeten stets auf einer objektiven Einschätzung der Gefahrenlage in den jeweiligen Ländern. Reisehinweise stehen in einer langen Tradition der differenzierten Betrachtung von einzelnen Staaten, oftmals auch in einer ausgewogenen und differenzierten Beurteilung einzelner Gebiete in diesen Staaten. Das macht bisher den Wert der Reisehinweise aus: Sie sind ein verlässliches Instrument für Reisende und Urlauber. Wenn Sie nun, konträr zum Vorgehen der EU-Innenminister, die Welt außerhalb Europas pauschal als Risikogebiet definieren, negieren Sie die nachweisbaren Erfolge vieler Länder im Kampf gegen das Virus. Sie gefährden Arbeitsplätze und trüben zudem die Aussicht vieler Mitbürger auf den geliebten Urlaub. Schließlich unterminieren Sie mit Ihrem Vorgehen auch das Gewicht der Empfehlungen Ihres eigenen Ministeriums.
Daher möchte ich Sie bitten, sich in Ihrem weiteren Vorgehen von objektiven und begründbaren Notwendigkeiten leiten zu lassen. Maßstab muss sein, wie gut die einzelnen Länder die Pandemie im Griff haben, wie hoch die Infektionszahlen sind und wie gut das Gesundheitssystem dort aufgestellt ist.
Mit freundlichen Grüßen
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